Beitragsforderung durch die Techniker Krankenkasse bei freiwillig Versicherten

Derzeit kommt es zu massiven Nachforderungen der Techniker Krankenkasse gegenüber freiwillig Versicherten. Diese setzt aufgrund nicht vorgelegter Einkommenssteuerbescheide aus dem Jahre 2019 bei ihren freiwillig versicherten Mitgliedern die Beiträge für das Jahr 2019 auf Grundlage der geltenden Beitragsbemessungsgrenze fest.

Viele Mandanten sehen sich dabei hohen Zahlungsansprüchen ausgesetzt.

 

Die Schreiben der Techniker sind mit dem Zusatz versehen, dass auch wenn der Versicherte den Einkommenssteuerbescheid nachreicht, ein tatsächlich geringeres Einkommen nicht rückwirkend berücksichtigt werden kann.

 

Ist die Forderung der Techniker Krankenkasse gerechtfertigt?

§ 240 Abs. 4 SGB V ist eine Norm mit einem massiven Sanktionscharakter. Die Realität ist, dass wenn freiwillig Versicherte diese Frist versäumen, sie mit teilweise unbezahlbaren Forderungen überzogen werden. Diese sind sogar oft höher als Strafen für Verkehrsdelikte und kleinere Straftaten. Dabei informiert die Techniker Krankenkasse ihre Versicherten auch direkt darüber, dass eine andere Entscheidung auch nicht möglich ist. Die Krankenkassen bereichern sich an ihren Mitgliedern.

Wie kann man gegen Krankenkassen argumentieren?

Die Krankenkassen berufen sich bei ihren Forderungen auf § 240 Abs. 4a Satz 4 SGB V und § 6a Abs. 2 Satz 6 der Beitragsverfahrensgrundsätze der Selbstzahler.

Gemessen am Wortlaut des Gesetzes handeln die Krankenkassen dabei auf den ersten Blick rechtmäßig.

 

Dennoch gibt es nach unserer Auffassung einige Möglichkeiten, gegen die Bescheide vorzugehen. Freiwillig Versicherte werden aber wohl einen langen Atem und einen guten Rechtsanwalt benötigen.

 

Angriffspunkte gegen die Krankenkassen

Ein möglicher Angriffspunkt für Betroffene ist der Wortlaut des Gesetzes. Gemäß § 240 Abs. 4a SGB V kann eine Beitragsfestsetzung nur erfolgen, wenn das Mitglied seine tatsächlichen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht innerhalb von 3 Jahren nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres nachweist.

Das bedeutet, dass die Krankenkasse den Nachweis der Einnahmen verlangen muss.

Nicht geregelt ist dabei, wie oft die Krankenkasse bei ihren Versicherten einen Nachweis verlangen und ob diese Aufforderung auch den Versicherten zugegangen sein muss. In der Regel verschicken die Krankenkassen ihre Briefe nämlich nicht mit einem Einschreiben und können so den Zugang nicht beweisen. Was aber passiert, wenn diese Schreiben dem Versicherten nie zugegangen sind?

 

Darüber hinaus gibt es auch einige verfassungsrechtliche Bedenken. Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt für jeden Eingriff in ein Grundrecht ein eindeutig formuliertes Gesetz. Sowohl die Tatbestandsvoraussetzungen als auch die Rechtsfolgen müssen ein Mindestmaß an Präzision, Verständlichkeit und Eindeutigkeit haben. Weder in § 240 Abs. 4a, noch in den einheitlichen Grundsätzen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder ist jedoch geregelt, wie oft, mit welchem zeitlichen Vorlauf und wie genau die Krankenkassen ihre Mitglieder über die möglichen Folgen ihres Handelns (die unterbliebene Vorlage des Einkommenssteuerbescheides) informieren müssen.

 

Dies steht in einem krassen Gegensatz zu § 66 Abs. 3 SGB I in dem ausgeführt wird, dass Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden können, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und er seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.

Es handelt sich zwar bei Beitragsforderungen um einen anderen Sachverhalt, dennoch ist die Situation nach unserer Ansicht vergleichbar.

 

Es gibt weitere Argumente, so wurde zum Beispiel die Frist zur Abgabe einer Steuererklärung 2019 verlängert, etc…

 

Wie läuft das Verfahren ab?

Betroffene sollten die auf dem Bescheid angegebene Widerspruchsfrist beachten.

Innerhalb dieser Frist kann ein Rechtsanwalt beauftragt werden oder der Widerspruch kann selbst formuliert und eingelegt werden.

Es ist aber zu erwarten, dass die Techniker Krankenkasse die Widersprüche zurückweisen wird. Dann sollten die Betroffenen ein sozialgerichtliches Verfahren anstrengen. Diese sind gerichtskostenfrei. Allerdings sollte man hier einen Anwalt beauftragen. Die Kosten werden regelmäßig von einer Rechtschutzversicherung getragen. Auch muss die Krankenkasse die Kosten tragen, wenn sie letztendlich verliert.

Arne Michaelis